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>>> Klärung (z.B. nach Vertrauensbruch)
Wie ich im vorigen Kapitel schrieb, geht es bei der Klärung nach einem Vorfall, der das Vertrauen negativ beeinflusste, nicht unbedingt um einen „Seelenstriptease“, also um das Erläutern sämtlicher Einzelaspekte. Doch gibt es natürlich einen nachvollziehbar dringenden Wunsch der anderen Person, mehr zu verstehen. Bei diesem Verstehen- oder Nachvollziehenwollen geht es oft nicht nur um inhaltliche Informationen, sondern häufig um ein Verstehenwollen des „Dahinterliegenden“, z.B. die Motivation zu der Tat – um viele kleine Kontexte, die letztlich eine Bewertungsmöglichkeit der gemeinsamen Bindungsqualität ermöglichen sollen.
Was ist da los (gewesen)?
Was ist also geschehen? Es geht hierbei nicht so sehr um schmutzige Details, sondern um ein Erfassen zwar moralisch leicht zu bezeichnender, doch dynamisch schwer zu begreifender Größen wie „Untreue“, (verschiedene Arten von) Lügen, Bruch gemeinsamer Vereinbarungen oder Versprechen, etc. Ich muss mich als Betrogene:r auch fragen: „Wie genau, wie scharf will ich (metaphorisch gesprochen) die einzelnen Kerben und Hautfalten des Monsters sehen, das da im Raum steht..? …und zu wem gehört es?“ (Ich sage ‚Monster‘, weil das in all den Geschichten und auch Märchen, den weisen Geschichten vor dem Entstehen der Psychotherapie, häufig die symbolische Funktion der Ungeheuer war).
Mit oder ohne Gefühls-Turbo
Zu einer Art Klärung des Geschehens gehören viele verschiedene Aspekte; ich liste einfach mal ein paar Beispiele auf:
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- In welchen Kontexten fand der Vertrauensbruch statt? Das Einordnen macht die Dinge schnell inhaltlich viel komplexer, als nur das Benennen.
- Wie hat jede:r Partner:in emotional wann agiert? Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, Verwirrung und weitere Gefühle werden angesprochen und interagieren miteinander / reagieren aufeinander, etc. Hier gibt es viele, auch sich selbst tragende Dynamiken.
- Wie hat der Vertrauensbruch das Sicherheitsgefühl und die Nähedynamiken in der Beziehung beeinflusst?
- Was waren eventuelle Umstände, die zum Vertrauensbruch geführt haben? Hier könnte es auch um ein tieferes Verständnis der Bedürfnisse und Probleme beider Partner:innen gehen.
- Gibt es Muster oder Dynamiken in der Beziehung, die zum Vertrauensbruch „geführt“ oder sich darin entladen haben?
und Einiges mehr.
Vermeintliche:r „Täter:in“ zeigt Verantwortung und Rechenschaft
Abhängig davon, wie die Beziehung von der (z.B. untreuen) Person bewertet wird, zeigt sie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und die Dinge offen anzusprechen, bzw. darüber Auskunft zu geben. Folgende Aspekte sind dabei von gewissem Einfluss:
Die Person, die das Vertrauen gebrochen hat, übernimmt Verantwortung und anerkennt den Schaden. Dabei sind empfundene Aufrichtigkeit der Entschuldigung und das Ausdrücken von Reue wichtige Impulse für die Heilungsmöglichkeit.
Blick nach vorn
Zusammen könnten beide Partner:innen eine Art zukunftsorientiertes Gespräch beginnen:
Was können wir beide aus diesem Vorfall lernen? Wollen wir in Zukunft ähnliche Situationen vermeiden? Wie? Gemeinsam kann verhandelt werden, welche Schritte nun gut wären, um das Vertrauen wieder aufzubauen und die Beziehung zu heilen.
Die Klärung eines Vertrauensbruchs ist ein sehr komplexer und oft schmerzhafter Prozess, und es erfordert Sensibilität und Geduld – den Prozess offen zu durchlaufen ist dabei wichtiger, als besonders kluge Sachen zu sagen oder gewisse Aspekte einzubringen.
Es geht prinzipiell darum, eine Grundlage zu schaffen für Verständnis und einen eventuellen Heilungsprozess, damit die Partner:innen einen Weg vorwärts finden können.
Zusätzlich zum Schaffen eines sicheren Raums (voriger Artikel), wo es um ein Gefühl der Sicherheit und Offenheit in der gemeinsamen Kommunikation geht, bezieht sich nun die Klärung auf eine spezifische Benennung und Bearbeitung eines Ereignisses, das den Vertrauensbruch auslöste.